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Wissenschaft als Beruf
5221 1Wissenschaft als Beruf Max Weber Wissenschaft als Beruf1 5222 2Wissenschaft als Beruf Ich soll nach Ihrem Wunsch über »Wissenschaft als Beruf« sprechen. Nun ist es eine gewisse Pedanterie von uns Nationalökonomen, an der ich festhalten möchte: daß wir stets von den äußeren Verhältnis- sen ausgehen, hier also von der Frage: Wie gestaltet sich Wissenschaft als Beruf im materiellen Sinne des Wortes? Das bedeutet aber praktisch heute im wesentlichen: Wie gestaltet sich die Lage eines ab- solvierten Studenten, der entschlossen ist, der Wissenschaft innerhalb des akademischen Lebens sich berufsmäßig hinzugeben? Um zu verstehen, worin da die Besonderheit unserer deutschen Ver- hältnisse besteht, ist es zweckmäßig, vergleichend zu verfahren und sich zu vergegenwärtigen, wie es im Auslande dort aussieht, wo in dieser Hinsicht der schärfste Gegensatz gegen uns besteht: in den Verei- nigten Staaten. Bei uns – das weiß jeder – beginnt normalerwei- se die Laufbahn eines jungen Mannes, der sich der Wissenschaft als Beruf hingibt, als »Privatdozent«. Er habilitiert sich nach Rücksprache und mit Zu- stimmung des betreffenden Fachvertreters, auf Grund eines Buches und eines meist mehr formellen Ex- amens vor der Fakultät, an einer Universität und hält nun, unbesoldet, entgolten nur durch das Kol- leggeld der Studenten, Vorlesungen, deren Gegen- Digitale Bibliothek Band 58: Max Weber 5223 3Wissenschaft als Beruf stand er innerhalb seiner venia legendi selbst be- stimmt. In Amerika beginnt die Laufbahn normaler- weise ganz anders, nämlich durch Anstellung als »assistant«. In ähnlicher Art etwa, wie das bei uns an den großen Instituten der naturwissenschaftlichen und medizinischen Fakultäten vor sich zu gehen pflegt, wo die förmliche Habilitation als Privatdo- zent nur von einem Bruchteil der Assistenten und oft erst spät erstrebt wird. Der Gegensatz bedeutet praktisch: daß bei uns die Laufbahn eines Mannes der Wissenschaft im ganzen auf plutokratischen Voraussetzungen aufgebaut ist. Denn es ist außeror- dentlich gewagt für einen jungen Gelehrten, der kei- nerlei Vermögen hat, überhaupt den Bedingungen der akademischen Laufbahn sich auszusetzen. Er muß es mindestens eine Anzahl Jahre aushalten können, ohne irgendwie zu wissen, ob er nachher die Chancen hat, einzurücken in eine Stellung, die für den Unterhalt ausreicht. In den Vereinigten Staa- ten dagegen besteht das bürokratische System. Da wird der junge Mann von Anfang an besoldet. Be- scheiden freilich. Das Gehalt entspricht meist kaum der Höhe der Entlohnung eines nicht völlig unge- lernten Arbeiters. Immerhin: er beginnt mit einer scheinbar sicheren Stellung, denn er ist fest besol- det. Allein die Regel ist, daß ihm, wie unseren As- sistenten, gekündigt werden kann, und das hat er 5224 4Wissenschaft als Beruf vielfach rücksichtslos zu gewärtigen, wenn er den Erwartungen nicht entspricht. Diese Erwartungen aber gehen dahin, daß er »volle Häuser« macht. Das kann einem deutschen Privatdozenten nicht passie- ren. Hat man ihn einmal, so wird man ihn nicht mehr los. Zwar »Ansprüche« hat er nicht. Aber er hat doch die begreifliche Vorstellung: daß er, wenn er jahrelang tätig war, eine Art moralisches Recht habe, daß man auf ihn Rücksicht nimmt. Auch – das ist oft wichtig – bei der Frage der eventuellen Habilitierung anderer Privatdozenten. Die Frage: ob man grundsätzlich jeden, als tüchtig legitimierten, Gelehrten habilitieren oder ob man auf den »Lehrbe- darf« Rücksicht nehmen, also den einmal vorhande- nen Dozenten ein Monopol des Lehrens geben solle, ist ein peinliches Dilemma, welches mit dem bald zu erwähnenden Doppelgesicht des akademischen Berufes zusammenhängt. Meist entscheidet man sich für das zweite. Das bedeutet aber eine Steigerung der Gefahr, daß der betreffende Fachordinarius, bei subjektiv größter Gewissenhaftigkeit, doch seine ei- genen Schüler bevorzugt. Persönlich habe ich – um das zu sagen – den Grundsatz befolgt: daß ein bei mir promovierter Gelehrter sich bei einem andern als mir und anderswo legitimieren und habilitieren müsse. Aber das Resultat war: daß einer meiner tüchtigsten Schüler anderwärts abgewiesen wurde, Digitale Bibliothek Band 58: Max Weber 5225 5Wissenschaft als Beruf weil niemand ihm glaubte, daß dies der Grund sei. Ein weiterer Unterschied gegenüber Amerika ist der: bei uns hat im allgemeinen der Privatdozent weniger mit Vorlesungen zu tun, als er wünscht. Er kann zwar dem Rechte nach jede Vorlesung seines Faches lesen. Das gilt aber als ungehörige Rück- sichtslosigkeit gegenüber den älteren vorhandenen Dozenten, und in der Regel hält die »großen« Vor- lesungen der Fachvertreter, und der Dozent begnügt sich mit Nebenvorlesungen. Der Vorteil ist: er hat, wennschon etwas unfreiwillig, seine jungen Jahre für die wissenschaftliche Arbeit frei. In Amerika ist das prinzipiell anders geordnet. Gerade in seinen jungen Jahren ist der Dozent abso- lut überlastet, weil er eben bezahlt ist. In einer ger- manistischen Abteilung z.B. wird der ordentliche Professor etwa ein dreistündiges Kolleg über Goethe lesen und damit: genug –, während der jüngere assi- stant froh ist, wenn er, bei zwölf Stunden die Woche, neben dem Einbläuen der deutschen Sprache etwa bis zu Dichtern vom Range Uhlands hinauf etwas zugewiesen bekommt. Denn den Lehrplan schreiben die amtlichen Fachinstanzen vor, und darin ist der assistant ebenso wie bei uns der Insti- tutsassistent abhängig. Nun können wir bei uns mit Deutlichkeit beob- achten: daß die neueste Entwicklung des Universi- 5226 6Wissenschaft als Beruf tätswesens auf breiten Gebieten der Wissenschaft in der Richtung des amerikanischen verläuft. Die gro- ßen Institute medizinischer oder naturwissenschaftli- cher Art sind »staatskapitalistische« Unternehmun- gen. Sie können nicht verwaltet werden ohne Be- triebsmittel größten Umfangs. Und es tritt da der gleiche Umstand ein wie überall, wo der kapitalisti- sche Betrieb einsetzt: die »Trennung des Arbeiters von den Produktionsmitteln«. Der Arbeiter, der As- sistent also, ist angewiesen auf die Arbeitsmittel, die vom Staat zur Verfügung gestellt werden; er ist in- folgedessen vom Institutsdirektor ebenso abhängig wie ein Angestellter in einer Fabrik: – denn der In- stitutsdirektor stellt sich ganz gutgläubig vor, daß dies Institut »sein« Institut sei, und schaltet darin –, und er steht häufig ähnlich prekär wie jede »proleta- roide« Existenz und wie der assistant der amerikani- schen Universität. Unser deutsches Universitätsleben amerikanisiert sich, wie unser Leben überhaupt, in sehr wichtigen Punkten, und diese Entwicklung, das bin ich über- zeugt, wird weiter übergreifen auch auf die Fächer, wo, wie es heute noch in meinem Fache in starkem Maße der Fall ist, der Handwerker das Arbeitsmittel (im wesentlichen: die Bibliothek) selbst besitzt, ganz entsprechend, wie es der alte Handwerker in der Vergangenheit innerhalb des Gewerbes auch tat. Digitale Bibliothek Band 58: Max Weber 5227 7Wissenschaft als Beruf Die Entwicklung ist in vollem Gange. Die technischen Vorzüge sind ganz unzweifel- haft, wie bei allen kapitalistischen und zugleich bü- rokratisierten Betrieben. Aber der »Geist«, der in ihnen herrscht, ist ein anderer als die althistorische Atmosphäre der deutschen Universitäten. Es besteht eine außerordentlich starke Kluft, äußerlich und in- nerlich, zwischen dem Chef eines solchen großen kapitalistischen Universitätsunternehmens und dem gewöhnlichen Ordinarius alten Stils. Auch in der in- neren Haltung. Ich möchte das hier nicht weiter aus- führen. Innerlich ebenso wie äußerlich ist die alte Universitätsverfassung fiktiv geworden. Geblieben aber und wesentlich gesteigert ist ein der Universi- tätslaufbahn eigenes Moment: ob es einem solchen Privatdozenten, vollends einem Assistenten, jemals gelingt, in die Stelle eines vollen Ordinarius und gar eines Institutsvorstandes einzurücken, ist eine Ange- legenheit, die einfach Hasard ist. Gewiß: nicht nur der Zufall herrscht, aber er herrscht doch in unge- wöhnlich hohem Grade. Ich kenne kaum eine Lauf- bahn auf Erden, wo er eine solche Rolle spielt. Ich darf das um so mehr sagen, als ich persönlich es ei- nigen absoluten Zufälligkeiten zu verdanken habe, daß ich seinerzeit in sehr jungen Jahren in eine or- dentliche Professur eines Faches berufen wurde, in welchem damals Altersgenossen unzweifelhaft mehr 5228 8Wissenschaft als Beruf als ich geleistet hatten. Und ich bilde mir allerdings ein, auf Grund dieser Erfahrung ein geschärftes Auge für das unverdiente Schicksal der vielen zu haben, bei denen der Zufall gerade umgekehrt ge- spielt hat und noch spielt, und die trotz aller Tüch- tigkeit innerhalb dieses Ausleseapparates nicht an die Stelle gelangen, die ihnen gebühren würde. Daß nun der Hasard und nicht die Tüchtigkeit als solche eine so große Rolle spielt, liegt nicht al- lein und nicht einmal vorzugsweise an den Mensch- lichkeiten, die natürlich bei dieser Auslese ganz ebenso vorkommen wie bei jeder anderen. Es wäre unrecht, für den Umstand, daß zweifellos so viele Mittelmäßigkeiten an den Universitäten eine hervor- ragende Rolle spielen, persönliche Minderwertigkei- ten von Fakultäten oder Ministerien verantwortlich zu machen. Sondern das liegt an den Gesetzen menschlichen Zusammenwirkens, zumal eines Zu- sammenwirkens mehrerer Körperschaften, hier: der vorschlagenden Fakultäten mit den Ministerien, an sich. Ein Gegenstück: wir können durch viele Jahr- hunderte die Vorgänge bei den Papstwahlen verfol- gen: das wichtigste kontrollierbare Beispiel gleichar- tiger Personenauslese. Nur selten hat der Kardinal, von dem man sagt: er ist »Favorit«, die Chance durchzukommen. Sondern in der Regel der Kandidat Nummer zwei oder drei. Das gleiche beim Präsiden- Digitale Bibliothek Band 58: Max Weber 5229 9Wissenschaft als Beruf ten der Vereinigten Staaten: nur ausnahmsweise der allererste, also: prononcierteste, Mann, sondern meist Nummer zwei, oft Nummer drei, kommt in die »nomination« der Parteikonvente hinein und nachher in den Wahlgang: die Amerikaner haben für diese Kategorien schon technisch-soziologische Aus- drücke gebildet, und es wäre ganz interessant, an diesen Beispielen die Gesetze einer Auslese durch Kollektivwillensbildung zu untersuchen. Das tun wir heute hier nicht. Aber sie gelten auch für Universi- tätskollegien, und zu wundern hat man sich nicht darüber, daß da öfter Fehlgriffe erfolgen, sondern daß eben doch, verhältnismäßig angesehen, immer- hin die Zahl der richtigen Besetzungen eine trotz allem sehr bedeutende ist. Nur wo, wie in einzelnen Ländern, die Parlamente oder, wie bei uns bisher, die Monarchen (beides wirkt ganz gleichartig) oder jetzt revolutionäre Gewalthaber aus politischen Gründen eingreifen, kann man sicher sein, daß be- queme Mittelmäßigkeiten oder Streber allein die Chancen für sich haben. Kein Universitätslehrer denkt gern an Beset- zungserörterungen zurück, denn sie sind selten ange- nehm. Und doch darf ich sagen: der gute Wille, rein sachliche Gründe entscheiden zu lassen, war in den mir bekannten zahlreichen Fällen ohne Ausnahme da. 5230 10Wissenschaft als Beruf Denn man muß sich weiter verdeutlichen: es liegt nicht nur an der Unzulänglichkeit der Auslese durch kollektive Willensbildung, daß die Entschei- dung der akademischen Schicksale so weitgehend »Hasard« ist. Jeder junge Mann, der sich zum Ge- lehrten berufen fühlt, muß sich vielmehr klarma- chen, daß die Aufgabe, die ihn erwartet, ein Dop- pelgesicht hat. Er soll qualifiziert sein als Gelehrter nicht nur, sondern auch: als Lehrer. Und beides fällt ganz und gar nicht zusammen. Es kann jemand ein ganz hervorragender Gelehrter und ein geradezu ent- setzlich schlechter Lehrer sein. Ich erinnere an die Lehrtätigkeit von Männern wie Helmholtz oder wie Ranke. Und das sind nicht etwa seltene Ausnahmen. Nun liegen aber die Dinge so, daß unsere Universi- täten, zumal die kleinen Universitäten, untereinander in einer Frequenzkonkurrenz lächerlichster Art sich befinden. Die Hausagrarier der Universitätsstädte feiern den tausendsten Studenten durch eine Fest- lichkeit, den zweitausendsten Studenten aber am liebsten durch einen Fackelzug. Die Kolleggeldinter- essen – man soll das doch offen zugeben – werden durch eine »zugkräftige« Besetzung der nächstbe- nachbarten Fächer mitberührt, und auch abgesehen davon ist nun einmal die Hörerzahl ein ziffernmäßig greifbares Bewährungsmerkmal, während die Ge- lehrtenqualität unwägbar und gerade bei kühnen Digitale Bibliothek Band 58: Max Weber 5231 11Wissenschaft als Beruf Neuerern oft (und ganz natürlicherweise) umstritten ist. Unter dieser Suggestion von dem unermeßlichen Segen und Wert der großen Hörerzahl steht daher meist alles. Wenn es von einem Dozenten heißt: er ist ein schlechter Lehrer, so ist das für ihn meist das akademische Todesurteil, mag er der allererste Ge- lehrte der Welt sein. Die Frage aber: ob einer ein guter oder ein schlechter Lehrer ist, wird beantwor- tet durch die Frequenz, mit der ihn die Herren Stu- denten beehren. Nun ist es aber eine Tatsache, daß der Umstand, daß die Studenten einem Lehrer zu- strömen, in weitestgehendem Maße von reinen Aeu- ßerlichkeiten bestimmt ist: Temperament, sogar Stimmfall, – in einem Grade, wie man es nicht für möglich halten sollte. Ich habe nach immerhin ziem- lich ausgiebigen Erfahrungen und nüchterner Ueber- legung ein tiefes Mißtrauen gegen die Massenkolle- gien, so unvermeidbar gewiß auch sie sind. Die De- mokratie da, wo sie hingehört. Wissenschaftliche Schulung aber, wie wir sie nach der Tradition der deutschen Universitäten an diesen betreiben sollen, ist eine geistesaristokratische Angelegenheit, das sollten wir uns nicht verhehlen. Nun ist es freilich andererseits wahr: die Darlegung wissenschaftlicher Probleme so, daß ein ungeschulter, aber aufnahme- fähiger Kopf sie versteht, und daß er – was für uns das allein Entscheidende ist – zum selbständigen 5232 12Wissenschaft als Beruf Denken darüber gelangt, ist vielleicht die pädago- gisch schwierigste Aufgabe von allen. Gewiß: aber darüber, ob sie gelöst wird, entscheiden nicht die Hörerzahlen. Und – um wieder auf unser Thema zu kommen – eben diese Kunst ist eine persönliche Gabe und fällt mit den wissenschaftlichen Qualitä- ten eines Gelehrten ganz und gar nicht zusammen. Im Gegensatz zu Frankreich aber haben wir keine Körperschaft der »Unsterblichen« der Wissenschaft, sondern es sollen unserer Tradition gemäß die Uni- versitäten beiden Anforderungen: der Forschung und der Lehre, gerecht werden. Ob die Fähigkeiten dazu sich aber in einem Menschen zusammenfinden, ist absoluter Zufall. Das akademische Leben ist also ein wilder Ha- sard. Wenn junge Gelehrte um Rat fragen kommen wegen Habilitation, so ist die Verantwortung des Zuredens fast nicht zu tragen. Ist er ein Jude, so sagt man ihm natürlich: lasciate ogni speranza. Aber auch jeden anderen muß man auf das Gewissen fra- gen: Glauben Sie, daß Sie es aushalten, daß Jahr um Jahr Mittelmäßigkeit nach Mittelmäßigkeit über Sie hinaussteigt, ohne innerlich zu verbittern und zu verderben? Dann bekommt man selbstverständlich jedesmal die Antwort: Natürlich, ich lebe nur mei- nem »Beruf«; – aber ich wenigstens habe es nur von sehr wenigen erlebt, daß sie das ohne inneren Scha- Digitale Bibliothek Band 58: Max Weber 5233 13Wissenschaft als Beruf den für sich aushielten. Soviel schien nötig, über die äußeren Bedingun- gen des Gelehrtenberufs zu sagen. Ich glaube nun aber, Sie wollen in Wirklichkeit von etwas anderem: von dem inneren Berufe zur Wissenschaft, hören. In der heutigen Zeit ist die in- nere Lage gegenüber dem Betrieb der Wissenschaft als Beruf bedingt zunächst dadurch, daß die Wissenschaft in ein Stadium der Spezialisierung eingetreten ist, wie es früher unbekannt war, und daß dies in alle Zukunft so bleiben wird. Nicht nur äußerlich, nein, gerade innerlich liegt die Sache so: daß der Einzelne das sichere Bewußtsein, etwas wirklich ganz Vollkommenes auf wissenschaftlichem Gebiet zu leisten, nur im Falle strengster Speziali- sierung sich verschaffen kann. Alle Arbeiten, welche auf Nachbargebiete übergreifen, wie wir sie gele- gentlich machen, wie gerade z.B. die Soziologen sie notwendig immer wieder machen müssen, sind mit dem resignierten Bewußtsein belastet: daß man al- lenfalls dem Fachman nützliche Fragestellungen lie- fert, auf die dieser von seinen Fachgesichtspunkten aus nicht so leicht verfällt, daß aber die eigene Ar- beit unvermeidlich höchst unvollkommen bleiben muß. Nur durch strenge Spezialisierung kann der wissenschaftliche Arbeiter tatsächlich das Vollge- fühl, einmal und vielleicht nie wieder im Leben, 5234 14Wissenschaft als Beruf sich zu eigen machen: hier habe ich etwas geleistet, was dauern wird. Eine wirklich endgültige und tüchtige Leistung ist heute stets: eine spezialistische Leistung. Und wer also nicht die Fähigkeit besitzt, sich einmal sozusagen Scheuklappen anzuziehen und sich hineinzusteigern in die Vorstellung, daß das Schicksal seiner Seele davon abhängt: ob er diese, gerade diese Konjektur an dieser Stelle dieser Hand- schrift richtig macht, der bleibe der Wissenschaft nur ja fern. Niemals wird er in sich das durchma- chen, was man das »Erlebnis« der Wissenschaft nennen kann. Ohne diesen seltsamen, von jedem Draußenstehenden belächelten Rausch, diese Leiden- schaft, dieses: »Jahrtausende mußten vergehen, ehe du ins Leben tratest, und andere Jahrtausende war- ten schweigend«: – darauf, ob dir diese Konjektur gelingt, hat einer den Beruf zur Wissenschaft nicht und tue etwas anderes. Denn nichts ist für den Men- schen als Menschen etwas wert, was er nicht mit Leidenschaft tun kann. Nun ist es aber Tatsache: daß mit noch so viel von solcher Leidenschaft, so echt und tief sie sein mag, das Resultat sich noch lange nicht erzwingen läßt. Freilich ist sie eine Vorbedingung des Ent- scheidenden: der »Eingebung«. Es ist ja wohl heute in den Kreisen der Jugend die Vorstellung sehr ver- breitet, die Wissenschaft sei ein Rechenexempel ge- Digitale Bibliothek Band 58: Max Weber 5235 15Wissenschaft als Beruf worden, das in Laboratorien oder statistischen Kar- totheken mit dem kühlen Verstand allein und nicht mit der ganzen »Seele« fabriziert werde, so wie »in einer Fabrik«. Wobei vor allem zu bemerken ist: daß dabei meist weder über das, was in einer Fa- brik, noch was in einem Laboratorium vorgeht, ir- gendwelche Klarheit besteht. Hier wie dort muß dem Menschen etwas – und zwar das Richtige – einfallen, damit er irgend etwas Wertvolles leistet. Dieser Einfall aber läßt sich nicht erzwingen. Mit irgendwelchem kalten Rechnen hat er nichts zu tun. Gewiß: auch das ist unumgängliche Vorbedingung. Jeder Soziologe z.B. darf sich nun einmal nicht zu schade dafür sein, auch noch auf seine alten Tage vielleicht monatelang viele zehntausende ganz trivia- ler Rechenexempel im Kopf zu machen. Man ver- sucht nicht ungestraft, das auf mechanische Hilfs- kräfte ganz und gar abzuwälzen, wenn man etwas herausbekommen will, – und was schließlich heraus- kommt, ist oft blutwenig. Aber, wenn ihm nicht doch etwas Bestimmtes über die Richtung seines Rechnens und, während des Rechnens, über die Tragweite der entstehenden Einzelresultate »ein- fällt«, dann kommt selbst dieses Blutwenige nicht heraus. Nur auf dem Boden ganz harter Arbeit be- reitet sich normalerweise der Einfall vor. Gewiß: nicht immer. Der Einfall eines Dilettanten kann wis- 5236 16Wissenschaft als Beruf senschaftlich genau die gleiche oder größere Trag- weite haben wie der des Fachmanns. Viele unserer allerbesten Problemstellungen und Erkenntnisse ver- danken wir gerade Dilettanten. Der Dillettant unter- scheidet sich vom Fachmann – wie Helmholtz über Robert Mayer gesagt hat – nur dadurch, daß ihm die feste Sicherheit der Arbeitsmethode fehlt, und daß er daher den Einfall meist nicht in seiner Tragweite nachzukontrollieren und abzuschätzen oder durchzu- führen in der Lage ist. Der Einfall ersetzt nicht die Arbe
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分类:工学
上传时间:2013-11-04
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