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Humor im Hörsaal

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Humor im Hörsaal 厦门大学    Dozentin: Anna Kramer    Universität Xiamen     Kurs: Schreiben III  Deutschabteilung     Klasse 2010             1    Humor im Hörsaal  VON Thomas Röbke | 25. Oktober 2012 ‐ 08:00 Uhr    DIE ZEIT: Sie sagen, Wissenschaft verhält sich zu Humor wie ...

Humor im Hörsaal
厦门大学    Dozentin: Anna Kramer    Universität Xiamen     Kurs: Schreiben III  Deutschabteilung     Klasse 2010             1    Humor im Hörsaal  VON Thomas Röbke | 25. Oktober 2012 ‐ 08:00 Uhr    DIE ZEIT: Sie sagen, Wissenschaft verhält sich zu Humor wie Dick zu Doof. Wie meinen Sie das?    Michael Suda: Dick und Doof sind eine Variante des Urformats vom Weißclown und dem dummen  August aus dem Zirkus. Der Weißclown ist als Herrscher des Wissens unantastbar, immer klar in den  Aussagen,  aber  letztlich  als  Figur  sehr  langweilig.  Sein  Gegenpart,  der  dumme  August,  geht  gefühlsmäßig mit der Situation um. Aus dem Wechselspiel dieser beiden entsteht der Humor    ZEIT: Im Zirkus oder im Film sicherlich – aber in der Vorlesung?    Suda: Auch da kann ich diese beiden Figuren aufbauen: Auf der einen Seite argumentiere ich klar als  Wissenschaftler, auf der anderen Seite gebe ich ab und zu dem August die Chance, dieses Konzept zu  hinterfragen, mit diesen  typischen Fragen nach dem Warum und Wieso. Der Wechsel der Position  macht den Vortrag humorvoll und gleichzeitig kritisch gegenüber der Wissenschaft.      ZEIT: Wie läuft eine solche humorgeladene Vorlesung bei Ihnen ab?    Suda: Ich setze Humor teils spontan ein, teils gut geplant. Die Eröffnung zu einem bestimmten Thema  bereite  ich  entsprechend  vor.  Beim  Klimawandel  etwa  verstecke  ich  einen  Plüscheisbären  hinter  einer blauen Papierscholle. Während ich etwas über Eisbären und Klimawandel erzähle, lasse ich ihn  plötzlich auftauchen und sage: »Hier ist das Zentralsymbol des Klimawandels...« Dann zeige ich eine  PowerPoint‐Präsentation  darüber, wie  der  Eisbär  für  Kampagnen  und  Spendenaufrufe  verwendet  wird.  Ich  gehe  auf  die  gesellschaftlichen  Vorstellungen  ein  und  auf  die  Tatsache,  dass  der  Eisbär  momentan gar nicht gefährdet ist. Damit bin ich beim Thema der Vorlesung angekommen: die Rolle  von  Symbolen  in  der  Politik.  Es  funktioniert  sehr  gut,  an  vorhandene  Urteile  oder  Fehlurteile  anzuknüpfen und paradoxe Situationen hervorzurufen. Es gibt eine ganze Reihe von Humortechniken,  die man gezielt anwenden kann.    ZEIT: Zum Beispiel?    Suda:  Die  Summ‐Abstimmung  beispielsweise.  Statt  per  Handzeichen  bitte  ich  meine  Studenten,  durch Summen abzustimmen. Je lauter der Ton, desto höher ist die Zustimmung zu einer Frage. Das  hat für den einzelnen Studenten den großen Vorteil, dass er sich nicht outen muss. Außerdem ist ein  akustisches Meinungsbild ungewöhnlich, darum erfährt es mehr Aufmerksamkeit .    ZEIT: Ein anderes Ihrer typischen Stilmittel ist der vorgetäuschte Handyanruf – wie funktioniert der?    Suda: Wenn ich erzählen will, was in der Vorlesung vorkommt, tue ich so, als ob ein Student aus der  U‐Bahn bei mir anruft und erzähle ihm, was er heute verpasst.    ZEIT: Allein dass Sie in ein Handy sprechen, erhöht schon die Aufmerksamkeit?    Suda: Es  ist gar kein Handy. Meistens nehme  ich die Fernsteuerung des Beamers. Das funktioniert.  Was man anwendet, muss aber zum Stoff passen. Es geht nicht um Klamauk, sondern in erster Linie  darum, Aufmerksamkeit zu wecken, zu halten oder wiederzugewinnen.  厦门大学    Dozentin: Anna Kramer    Universität Xiamen     Kurs: Schreiben III  Deutschabteilung     Klasse 2010             2    ZEIT: Wie ist die Reaktion der Kollegen? Sieht Sie mancher als Klassenkasper?    Suda:  Es  gibt  sicherlich  das  ein  oder  andere  Kopfschütteln. Manche  Kollegen  sind  neugierig,  den  anderen  sind  ihre  wissenschaftlichen  Veröffentlichungen  wichtig,  und  wieder  andere  machen  humorlose, aber trotzdem sehr gute Vorlesungen. Das eine schließt das andere nicht aus.  Ich gebe  aber  auch  zusammen  mit  meiner  ehemaligen  Kollegin  Renate  Mayer  Kurse  über  »Humor  in  der  Wissensvermittlung«. Das Potenzial der Kollegen  ist gewaltig, da haben wir schon viele wunderbare  »Auftritte« erlebt.    ZEIT: Besteht eine reelle Chance, dass sich Humor in der Wissenschaft auf breiterer Front  durchsetzt?    Suda: Der  kleine Überlappungsbereich hat durchaus das Potenzial,  etwas  größer  zu werden. Aber  gänzlich werden  sich Wissenschaft und Humor niemals überlappen. Dazu  sind die Wissenschaftler  insgesamt zu ernst. Humor erfordert auch, von sich selber Abstand zu nehmen, sich selber nicht so  ernst zu nehmen.    ZEIT: Gibt es ein typisches Element, mit dem Sie die Vorlesung beenden?    Suda:  Ja, die »Schlagzeile«.  Ich teile die Studenten  in Vierergruppen ein und sage: »Stellen Sie sich  vor, Sie sind  in einer Redaktion und sollen über die heutige Stunde eine Schlagzeile entwickeln. Sie  haben  60  Sekunden  Zeit.«  Dann  frage  ich  die  einzelnen  Gruppen  ab:  Welche  Zeitung,  welche  Schlagzeile? Schließlich  sage  ich: »Der Chefredakteur hat  jetzt  jede Menge gute Vorschläge, vielen  Dank, kommen Sie gut nach Hause.«    COPYRIGHT: ZEIT ONLINE  ADRESSE: http://www.zeit.de/2012/44/Wissensvermittlung‐Humor‐Professor‐Michael‐Suda      Vokabeln  Dick und Doof – zwei berühmte Komiker aus den USA (Stan Laurel und Oliver Hardy), traten immer zusammen auf  Weißclown – eine Art von Clown, Partner vom Dummen August, weise und intelligent  Dummer August – ein typischer Clown, der traditionell dumm ist  hinterfragen – etwas grundsätzlich in Frage stellen, nach dem Sinn fragen  humorgeladen – mit Humor   Plüscheisbär – Spielzeugeisbär   Zentralsymbol – das wichtigste Symbol  Fehlurteile – falsche Urteile  Summen – eine Melodie „ohne Wörter singen“ Æ „mmm“   outen – aus dem Englischen: sich zu erkennen geben, seine Meinung klar sagen  so tun als ob – etwas vortäuschen, das nicht wahr ist  Klamauk – lächerlicher Humor  Klassenkasper – der lustigste Schüler in einer Klasse  reell ‐ real    überlappen – in bestimmten Bereichen übereinstimmen, eingeschränkt zusammenpassen  Abstand ‐ Distanz  auf breiterer Front – weit verbreitet, hier: an vielen Universitäten  Schlagzeile – Überschrift in einer Zeitung 
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