MARTIN HEIDEGGER
WAS IST METAPHYSIK?
Siebte Auflage
VITTORIO KLOSTERMANN FRANKFURT A. M.
Der Text der Antrittsvorlesung, die am 24. Juli 1929 in der Aula der Universität
Freiburg i. Br. unter dem Titel ,,Was ist Metaphysik?“ gehalten und im selben Jahre
veröffentlicht wurde, erscheint hier unverändert mit dem neu durchgesehenen
Nachwort der vierten Auflage von 1943 und der Einleitung der fünften Autlage
von 1949.
C O P Y R I G H T 1 9 5 5 B Y V I T T O R I O K L O S T E R M A N N F R A N K F U R T A M MAIN
ALLE RECHTE, INSBESONDERE DAS DER ÜBERSETZUNG. VORBEHALTEN
GESAMTHERSTELLUNG BUCHDRUCKEREI AG PASSAVIA, PASSAU
PRINTED IN GERMANY
E I N L E I T U N G
Der Rückgang in den Grund der Metaphysik
Descartes schreibt an Picot, der die Principia Philosophiae ins
Französische übersetzte: Ainsi toute la philosophie est comme
un arbre, dont les racines sont la Metaphysique, le tronc est la
Physique, et les tranches qui sortent de ce tronc sont toutes les
autres sciences . . . (Opp. ed. Ad. et Ta. IX, 14).
Wir fragen, um bei diesem Bild zu bleiben: In welchem Boden
finden die Wurzeln des Baumes der Philosophie ihren Halt?
Aus welchem Grunde empfangen die Wurzeln und durch sie der
ganze Baum die nährenden Säfte und Kräfte? Welches Element
durchwebt, in Grund und Boden verborgen, die tragenden
und nährenden Wurzeln des Baumes? Worin ruht und regt sich
die Metaphysik? Was ist die Metaphysik von ihrem Grund her
gesehen? Was ist im Grunde überhaupt Metaphysik?
Sie denkt das Seiende als das Seiende. Uberall, wo gefragt wird,
was das Seiende sei, steht Seiendes als solches in der Sicht. Das
metaphysische Vorstellen verdankt diese Sicht dem Licht des
Seins. Das Licht, d. h. dasjenige, was solches Denken als Licht
erfährt, kommt selbst nicht mehr in die Sicht dieses Denkens;
denn es stellt das Seiende stets und nur in der Hinsicht auf das
Seiende vor. Aus dieser Hinsicht fragt das metaphysische Den-
ken allerdings nach der seienden Quelle und nach einem Ur-
heber des Lichtes. Dieses selbst gilt dadurch als erhellt genug,
daß es jeder Hinsicht auf das Seiende die Durchsicht gewährt.
Wie auch immer das Seiende ausgelegt werden mag, ob als Geist Ga
im Sinne des Spiritualismus, ob als Stoff und Kraft. im Sinne des
Materialismus, ob als Werden und Leben, ob als Vorstellung, ob
als Wille, ob als Substanz, ob als Subjekt, ob als Energeia, ob
als ewige Wiederkehr des Gleichen, jedesmal erscheint das Sei-
ende als Seiendes im Lichte des Seins. Uberall hat sich, wenn die
Metaphysik das Seiende vorstellt, Sein gelichtet. Sein ist in
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einer Unverborgenheit (‘A3,$3~ta) angekommen. Ob und wie
Sein solche Unverborgenheit mit sich bringt, ob und wie gar Es
selbst sich in der Metaphysik und als diese anbringt, bleibt ver-
hüllt. Das Sein wird in seinem entbergenden Wesen, d. h. in
seiner Wahrheit nicht gedacht. Gleichwohl spricht die Meta-
physik in ihren Antworten auf ihre Frage nach dem Seienden
als solchem aus der unbeachteten Offenbarkeit des Seins. Die
Wahrheit des Seins kann deshalb der Grund heißen, in dem die
Metaphysik als die Wurzel des Baumes der Philosophie gehal-
ten, aus dem sie genährt wird.
Weil die Metaphysik das Seiende als das Seiende befragt, bleibt
sie beim Seienden und kehrt sich nicht an das Sein als Sein. Als
die Wurzel des Baumes schickt sie alle Säfte und Kräfte in den
Stamm und seine Äste. Die Wurzel verzweigt sich in den Grund
und Boden, damit der Baum dem Wachstum zugunsten aus ihm
hervorgehen und ihn so verlassen kann. Der Baum der Philo-
sophie entwächst dem Wurzelboden der Metaphysik. Der
Grund und Boden ist zwar das Element, worin die Wurzel des
Baumes west, aber das Wachstum des Baumes vermag den Wur-
zelboden niemals so in sich aufzunehmen, daß er als etwas
Baumhaftes im Baum verschwindet. Vielmehr verlieren sich die
Wurzeln bis zu den feinsten Fasern im Boden. Der Grund ist
Grund für die Wurzel; in ihm vergißt sie sich zugunsten des
Baumes. Die Wurzel gehört auch dann noch, wenn sie sich
nach ihrer Weise dem Element des Bodens anheimgibt, dem
Baum. Sie verschwendet ihr Element und sich selbst auf diesen.
Sie kehrt sich als die Wurzel nicht an den Boden; wenigstens
nicht in einer Weise, als sei es ihr Wesen, nur diesem Element
entgegenzuwachsen und in ihm sich auszubreiten. Vermutlich
ist also auch das Element nicht das Element, ohne daß die Wur-
zel es durchwebt.
Die Metaphysik denkt, insofern sie stets nur das Seiende als das
Seiende vorstellt, nicht an das Sein selbst. Die Philosophie ver-
sammelt sich nicht auf ihren Grund. Sie verläßt ihn stets, und
zwar durch die Metaphysik. Aber sie entgeht ihm gleichwohl nie.
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Insofern ein Denken sich auf den Weg begibt, den Grund der
Metaphysik zu erfahren, insofern dieses Denken versucht, an
die Wahrheit des Seins selbst zu denken, statt nur das Seiende
als das Seiende vorzustellen, hat das Denken die Metaphysik
in gewisser Weise verlassen. Dieses Denken geht, und zwar noch
von der Metaphysik her gesehen, in den Grund der Metaphysik
zurück. Allein das, was so noch als Grund erscheint, ist vermut-
lich, wenn es aus ihm selbst erfahren wird, ein Anderes und
noch Ungesagtes, demgemäß auch das Wesen der Metaphysik
etwas anderes ist als die Metaphysik.
Ein Denken, das an die Wahrheit des Seins denkt, begnügt sich
zwar nicht mehr mit der Metaphysik; aber es denkt auch nicht
gegen die Metaphysik. Es reißt, um im Bild zu sprechen, die
Wurzel der Philosophie nicht aus. Es gräbt ihr den Grund und ’
pflügt ihr den Boden. Die Metaphysik bleibt das Erste der Phi-
losophie. Das Erste des Denkens erreicht sie nicht. Die Meta-
physik ist im Denken an die Wahrheit des Seins überwunden.
Der Anspruch der Metaphysik, den tragenden Bezug zum
,,Sein” zu verwalten und alles Verhältnis zum Seienden als sol-
chem maßgebend zu bestimmen, wird hinfällig. Doch diese
,,Oberwindung der Metaphysik” beseitigt die Metaphysik nicht.
Solange der Mensch das animal rationale bleibt, ist er das ani-
mal metaphysicum. Solange der Mensch sich als das vernünftige
Lebewesen versteht, gehört die Metaphysik nach dem Wort
Kants zur Natur des Menschen. Wohl könnte dagegen das Den-
ken, wenn ihm glückt, in den Grund der Metaphysik zurück-
zugehen, einen Wandel des Wesens des Menschen mitveranlas-
sen, mit welchem Wandel eine Verwandlung der Metaphysik
einherginge.
Wenn somit bei der Entfaltung der Frage nach der Wahrheit des
Seins von einer Oberwindung der Metaphysik gesprochen wird,
dann bedeutet dies: Andenken an das Sein selbst. Solches An-
denken kommt über das bisherige Nichtdenken an den Grund
der Wurzel der Philosophie hinaus. Das in ,,Sein und Zeit”
(1927) versuchte Denken macht sich auf den Weg, die so ver-
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standene Oberwindung der Metaphysik vorzubereiten. Das-
jenige aber, was ein solches Denken auf seinen Weg bringt, kann
doch nur das Zu-denkende selbst sein. Daß das Sein selber und
wie das Sein selbst hier ein Denken angeht, steht nie zuerst und
nie allein beim Denken. Daß und wie das Sein selbst ein Denken
trifft, bringt dieses auf den Sprung, dadurch es dem Sein selbst
entspringt, um so dem Sein als solchem zu entsprechen.
Warum ist dann aber eine so geartete Uberwindung der Meta-
physik nötig? Soll auf diese Weise nur diejenige Disziplin der
Philosophie, die bisher die Wurzel war, durch eine ursprüng-
lichere unterbaut und ersetzt werden? Handelt es sich um eine
Veränderung des Lehrgebäudes der Philosophie? Nein. Oder
soll durch den Rückgang in den Grund der Metaphysik eine
bisher übersehene Voraussetzung der Philosophie aufgedeckt
und dieser vorgerechnet werden, daß sie noch nicht auf ihrem
unerschütterlichen Fundament stehe und deshalb noch nicht die
absolute Wissenschaft sein könne? Nein.
Anderes steht mit der Ankunft oder dem Ausbleiben der Wahr-
heit des Seins auf dem Spiel: nicht die Verfassung der Philoso-
phie, nicht nur die Philosophie selbst, sondern die Nähe und
Ferne von Jenem, woraus die Philosophie als das vorstellende
Denken des Seienden als solchen ihr Wesen und ihre Notwen-
digkeit empfängt. Zur Entscheidung steht, ob das Sein selber
aus seiner ihm eigenen Wahrheit seinen Bezug zum Wesen des
Menschen ereignen kann oder ob die Metaphysik in ihrer Ab-
kehr von ihrem Grunde fernerhin verwehrt, daß der Bezug des
Seins zum Menschen aus dem Wesen dieses Bezugs selber zu
einem Leuchten kommt, das den Menschen zum Gehören in das
Sein bringt.
Die Metaphysik hat in ihren Antworten auf ihre Frage nach
dem Seienden als solchem vor diesem schon das Sein vorgestellt.
Sie spricht Sein notwendig aus und darum ständig. Aber die
Metaphysik bringt das Sein selbst nicht zur Sprache, weil sie
das Sein nicht in seiner Wahrheit und die Wahrheit nicht als die
Unverborgenheit und diese nicht in ihrem Wesen bedenkt, Das
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Wesen der Wahrheit erscheint der Metaphysik immer nur in der
schon abkünftigen Gestalt der Wahrheit der Erkenntnis und der
Aussage dieser. Unverborgenheit könnte aber Anfänglicheres
sein als Wahrheit im Sinne der veritas. ‘Ah$&~a könnte das
Wort sein, das einen noch nicht erfahrenen Wink in das unge-
dachte Wesen des esse gibt. Stünde es so, dann könnte freilich
das vorstellende Denken der Metaphysik dieses Wesen der
Wahrheit nie erreichen, mag es sich auch noch so eifrig um die
vorsokratische Philosophie historisch bemühen; denn es handelt
sich nicht um irgendeine Renaissance des vorsokratischen Den-
kens, solches Vorhaben wäre eitel und widersinnig, sondern um
das Achten auf die Ankunft des noch unausgesprochenen Wesens
der Unverborgenheit, als welche das Sein sich angekündigt hat.
Inzwischen bleibt der Metaphysik während ihrer Geschichte
von Anaximander bis zu Nietzsche die Wahrheit des Seins ver-
borgen. Weshalb denkt die Metaphysik an sie nicht? Hängt das
Unterlassen solchen Andenkens nur an der Art des metaphy-
sischen Denkens? Oder gehört es zum Wesensgeschick der Meta-
physik, daß sich ihr der eigene Grund entzieht, weil im Auf-
gehen der Unverborgenheit überall das Wesende in dieser, näm-
lich die Verborgenheit, ausbleibt, und zwar zugunsten des Un-
verborgenen, das als das Seiende erscheint?
Nun spricht aber die Metaphysik ständig und in den verschie-
densten Abwandlungen das Sein aus. Sie selbst erweckt und be-
festigt den Anschein, als sei durch sie die Frage nach dem Sein
gefragt und beantwortet. Allein die Metaphysik antwortet nir-
gends auf die Frage nach der Wahrheit des Seins, weil sie diese
Frage nie fragt. Sie fragt nicht, weil sie das Sein nur denkt, in-
dem sie das Seiende als das Seiende vorstellt. Sie meint das Sei-
ende im Ganzen und spricht vom Sein. Sie nennt das Sein und
meint das Seiende als das Seiende. Das Aussagen der Metaphy-
sik bewegt sich von ihrem Beginn bis in ihre Vollendung auf eine
seltsame Weise in einer durchgängigen Verwechslung von Seien-
dem und Sein. Diese Verwechslung ist freilich als Ereignis zu
denken, nicht als ein Fehler. Sie kann ihren Grund keineswegs
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in einer bloßen Nachlässigkeit des Denkens haben oder in einer
Flüchtigkeit des Sagens. Dieser durchgängigen Verwechslung
zufolge gelangt das Vorstellen auf den Gipfel der Verwirrung,
wenn man behauptet, die Metaphysik stelle die Seinsfrage.
Fast scheint es, als sei die Metaphysik durch die Art, wie sie das
Seiende denkt, dahin gewiesen, ohne ihr Wissen die Schranke
zu sein, die dem Menschen den anfänglichen Bezug des Seins
zum Menschenwesen verwehrt.
Wie aber, wenn das Ausbleiben dieses Bezugs und die Vergessen-
heit dieses Ausbleibens von weither das moderne Weltalter be-
stimmten? Wie, wenn das Ausbleiben des Seins den Menschen
immer ausschließlicher nur dem Seienden überließe, so daß der
Mensch vom Bezug des Seins zu seinem (des Menschen) Wesen
fast verlassen und diese Verlassenheit zugleich verhüllt bliebe?
Wie, wenn es so wäre und wenn es seit langem schon so wäre?
Wie, wenn Zeichen dahin deuteten, als wolle diese Vergessen-
heit inskünftig sich noch entschiedener in der Vergessenheit ein-
richten?
Wäre da für einen Denkenden noch ein Anlaß, vor diesem Ge-
schick des Seins sich überheblich zu gebärden? Wäre, wenn es
so stünde, noch ein Anlaß, in solcher Seinsverlassenheit sich an-
deres vorzugaukeln und dies gar aus einer selbstgemachten ge-
hobenen Stimmung? Wäre, wenn es mit der Seinsvergessenheit
so stünde, nicht Veranlassung genug, daß ein Denken, das an
das Sein denkt, in den Schrecken gerät, demgemäß es nichts an-
deres vermag, als dieses Geschick des Seins in der Angst aus-
zuhalten, um erst das Denken an die Seinsvergessenheit zum
Austrag zu bringen? Ob jedoch ein Denken dies vermochte,
solange ihm die so zugeschickte Angst nur eine gedrückte Stim-
mung wäre? Was hat das Seinsgeschick dieser Angst mit Psy-
chologie und Psychoanalyse zu tun?
Gesetzt aber, der Überwindung der Metaphysik entspräche das
Bemühen, erst einmal auf die Seinsvergessenheit achten zu ler-
nen, um sie ZU erfahren und diese Erfahrung in den Bezug des
Seins zum Menschen aufzunehmen und darin zu verwahren,
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dann bliebe die Frage ,,Was ist Metaphysik?” in der Not der
Seinsvergessenheit doch vielleicht das Notwendigste alles Not-
wendigen für das Denken.
So liegt alles daran, daß zu seiner Zeit das Denken denkender
werde. Dahin kommt es, wenn das Denken, statt einen höheren
Grad seiner Anstrengung zu bewerkstelligen, in eine andere
Herkunft gewiesen ist. Dann wird das vom Seienden als sol-
chem gestellte und darum vorstellende und dadurch erhellende
Denken abgelöst durch ein vom Sein selbst ereignetes und dar-
um dem Sein höriges Denken.
Überlegungen darüber, wie sich das überall noch metaphysische
und nur metaphysische Vorstellen in wirksamer und nützlicher
Weise zur unmittelbaren Aktion im täglichen und öffentlichen
Leben bringen lasse, schweifen im Leeren. Denn je denkender
das Denken wird, je entsprechender es sich aus dem Bezug des
Seins zu ihm vollzieht, um so reiner steht das Denken von selbst
schon in dem einen ihm allein gemäßen Handeln: im Denken
des ihm Zu-gedachten und deshalb schon Gedachten.
Doch wer denkt noch an Gedachtes? Man macht Erfindungen.
Das Denken auf einen Weg zu bringen, durch den es in den Bezug
der Wahrheit des Seins zum Wesen des Menschen gelangt, dem
Denken einen Pfad zu öffnen, damit es das Sein selbst in seiner
Wahrheit eigens bedenke, dahin ist das in ,,Sein und Zeit” ver-
suchte Denken ,,unterwegs“. Auf diesem Weg, und das sagt, im
Dienst der Frage nach der Wahrheit des Seins, wird eine Be-
sinnung auf das Wesen des Menschen nötig; denn die unaus-
gesprochene, weil erst zu erweisende Erfahrung der Seinsver-
gessenheit schließt die alles tragende Vermutung ein, gemäß der
Unverborgenheit des Seins gehöre der Bezug des Seins zum
Menschenwesen gar zum Sein selbst. Doch wie könnte dieses er-
fahrene Vermuten auch nur zur ausgesprochenen Frage werden,
ohne zuvor alle Bemühung darein zu legen, die Wesensbestim-
mung des Menschen aus der Subjektivität, aber auch aus der-
jenigen des animal rationale herauszunehmen? Um sowohl den
Bezug des Seins zum Wesen des Menschen als auch das Wesens-
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Verhältnis des Menschen zur Offenheit (,,Da“) des Seins als
solchen zugleich und in ein em Wort zu treffen, wurde für den
Wesensbereich, in dem der Mensch als Mensch steht, der Name
,,Dasein” gewählt. Dies geschah, trotzdem die Metaphysik die-
sen Namen für das gebraucht, was sonst mit existentia, Wirk-
lichkeit, Realität und Objektivität benannt wird, trotzdem
sogar die gewöhnliche Redeweise vom ,,menschlichen Dasein”
in der metaphysischen Bedeutung des Wortes zu sprechen pflegt.
Darum wird nun auch jedes Nach-denken verbaut, wenn man
sich begnügt festzustellen, in ,,Sein und Zeit“ werde statt ,,Be-
wußtsein“ das Wort ,,Dasein“ gebraucht. Als ob hier der bloße
Gebrauch verschiedener Wörter zur Verhandlung stünde, als ob
es sich nicht um das Eine und Einzige handelte, den Bezug des
Seins zum Wesen des Menschen und damit, von uns aus gedacht,
zunächst eine für das leitende Fragen hinreichende Wesens-
erfahrung vom Menschen vor das Denken zu bringen. Weder
tritt nur das Wort ,,Dasein” an die Stelle des Wortes ,,Bewußt-
sein”, noch tritt die ,Dasein” genannte ,,Sache“ an die Stelle
dessen, was man beim Namen ,,Bewußtsein“ vorstellt. Viel-
mehr ist mit ,,Dasein” solches genannt, was erst einmal als
Stelle, nämlich als die Ortschaft der Wahrheit des Seins erfahren
und dann entsprechend gedacht werden soll.
Woran im Wort ,,Dasein” überall durch die Abhandlung von
,,Sein und Zeit“ hindurch gedacht ist, darüber gibt schon der
Leitsatz (S. 42) eine Auskunft, der lautet: ,,Das , W e s e n ’ d e s
D a s e i n s l i e g t i n s e i n e r E x i s t e n z . ”
Bedenkt man freilich, daß in der Sprache der Metaphysik das
Wort ,,Existenz” das Selbe nennt, was ,,Dasein“ meint, nämlich
die Wirklichkeit jedes beliebigen Wirklichen von Gott bis zum
Sandkorn, dann wird durch den Satz, wenn man ihn nur ge-
radehin versteht, die Schwierigkeit des Zu-denkenden nur vom
Wort ,,Dasein” auf das Wort ,,Existenz“ abgeschoben. Der
Name ,,Existenz“ ist in S. u. Z. ausschließlich als Bezeichnung
des Seins des Menschen gebraucht. Von der recht gedachten
,Existenz” her läßt sich das ,,Wesen” des Daseins denken, in
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dessen Offenheit das Sein selbst sich bekundet und verbirgt, ge-
währt und entzieht, ohne daß sich diese Wahrheit des Seins im
Dasein erschöpft oder gar mit ihm sich in eins setzen 1äßt nach
der Art des metaphysischen Satzes: alle Objektivität ist als sol-
che Subjektivität.
Was bedeutet ,,Existenz” in S. u. Z.? Das Wort nennt eine
Weise des Seins, und zwar das Sein desjenigen Seienden, das
offen steht für die Offenheit des Seins, in der es steht, indem es
sie aussteht. Dieses Ausstehen wird unter dem Namen ,,Sorge”
erfahren. Das ekstatische Wesen des Daseins ist von der Sorge
her gedacht, so wie umgekehrt die Sorge nur in ihrem ekstati-
schen Wesen zureichend erfahren wird. Das so erfahrene Aus-
stehen ist das Wesen der hier zu denkenden Ekstasis. Das ek-
statische Wesen der Existenz wird deshalb auch dann noch unzu-
reichend verstanden, wenn man es nur als ,,Hinausstehen“ vor-
stellt und das ,,Hinaus” als das ,,Weg von” dem Innern einer
Immanenz des Bewußtseins und des Geistes auffaßt; denn so
verstanden, wäre die Existenz immer noch von der ,,Subjekti-
vität“ und der ,,Substanz“ her vorgestellt, während doch das
,Aus“ als das Auseinander der Offenheit des Seins selbst zu
denken bleibt. Die Stasis des Ekstatischen beruht, so seltsam es
klingen mag, im Innestehen im ,,Aus” und ,,Da” der Unver-
borgenheit, als welche das Sein selbst west. Das, was im Namen
,,Existenz“ zu denken ist, wenn das Wort innerhalb des Den-
kens gebraucht wird, das auf die Wahrheit des Seins zu und aus
ihr her denkt, könnte das Wort ,,Inständigkeit” am schönsten
nennen. Nur müssen wir dann zumal das Innestehen in der
Offenheit des Seins, das Austragen des Innestehens (Sorge) und
das Ausdauern im Äußersten (Sein zum Tode) zusammen und
als das volle Wesen der Existenz denken.
Das Seiende, das in der Weise der Existenz ist, ist der Mensch.
Der Mensch allein existiert. Der Fels ist, aber er existiert nicht.
Der Baum ist, aber er existiert nicht. Das Pferd ist, aber es exi-
stiert nicht. Der Engel ist, aber er existiert nicht. Gott ist, aber
er existiert nicht. Der Satz: ,,Der Mensch allein existiert”, be-
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deutet keineswegs, nur der Mensch sei ein wirklich Seiendes,
alles übrige Seiende aber sei unwirklich und nur ein Schein oder
die Vorstellung des Menschen. Der Satz: ,,Der Mensch existiert”
bedeutet: der Mensch ist dasjenige Seiende, dessen Sein durch
das offenstehende Innestehen in der Unverborgenheit des Seins,
vom Sein her, im Sein ausgezeichnet ist. Das existenziale Wesen
des Menschen ist der Grund dafür, daß der Mensch Seiendes als
ein solches vorstellen und vom Vorgestellten ein Bewußtsein
haben kann. Alles Bewußtsein setzt die ekstatisch gedachte Exi-
stenz als die essentia des Menschen voraus, wobei essentia das
bedeutet, als was der Mensch west, sofern er Mensch ist. Das
Bewußtsein dagegen s
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